Bersenbrücker Kreisblatt, Ausgabe vom 18. Juli 2012, Seite 18, Ressort
Lokales
Geschichtskurs prägt Stadtbild
Im Fürstenauer Neubaugebiet wird es künftig eine Renate-Hamburger-Straße geben
Fürstenau.
Der Geschichtskurs des Jahrgangs 12 der Integrierten Gesamtschule in
Fürstenau hatte eine außergewöhnliche Aufgabe zu bewältigen: einen
Namen für eine Straße im Neubaugebiet am Schwarzen Weg zu finden.
Namensgeber sollte eine Persönlichkeit der Stadt(-geschichte) sein.
Vor
der Entscheidung hatten die Schüler des Kurses Vorschläge von
zahlreichen Stellen eingeholt, beispielsweise von Vertretern der
Kirchengemeinde, von der Stadt, der katholischen Frauengemeinschaft,
vom Pastor und auch vom Sportverein. Ihr Geschichtslehrer Ralph Gehrke
und Bernd Kruse, ehemals Lehrer an der IGS, unterstützten die Schüler
in ihren Recherchen.
Aus den gesammelten Vorschlägen wählten die
Schüler den Namen eines jüdischen Mädchens namens Renate Hamburger, das
bis 1941 in Fürstenau lebte.
Die Gründe für diese Entscheidung
waren sehr vielfältig: Renate Hamburgers Leben erinnere an die
ehemalige jüdische Gemeinde in Fürstenau, an ihre Menschen, an deren
Schicksal, an das Unrecht der damaligen Zeit und an den Rassenwahn der
Nationalsozialisten in all seinen Facetten und Konsequenzen. Die
Benennung sei ein Zeichen gegen Rechtsradikalismus heute, für die Würde
des Menschen, für die Freiheit im Allgemeinen, für das Recht auf
körperliche Unversehrtheit und für die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit.
Geboren
am 2. November 1931, wuchs Renate Hamburger in Fürstenau bis zu ihrem
zehnten Lebensjahr auf. Laut Deportationsliste wohnte das jüdische
Mädchen damals in der Bahnhofstraße 40, direkt gegenüber dem heutigen
neuen Baugebiet. Am 13. Dezember 1941 wurde sie mit zig anderen Juden
nach Riga in die „Moskauer Vorstadt“, einem Judengetto, deportiert.
Schriftliche
Belege zu Todesdatum, -ort, und -umstand von Renate Hamburger gebe es
bisher nicht, bestätigte Bernd Kruse. Er datierte ihr letztes
Lebenszeichen auf Oktober 1943, versehen mit einem Fragezeichen. Sie
soll zu der Zeit im (Zentral-)Konzentrationslager Kaiserwald gewesen
sein. Die Nachforschungen bezüglich der Spuren der Familie Hamburger
würden aber noch weiter und tiefer gehen, bestätigte Bernd Kruse. Er
traf sogar eine Nichte von Renate Hamburger.
Diese Verwandte
erzählte, das jüdische Mädchen sei auf dem Weg ins Konzentrationslager
erschossen worden, weil deren Mutter sich nicht von ihr trennen wollte.
Die
Schüler des Geschichtskurses schlugen der Stadt den Straßennamen Renate
Hamburger vor, weil sie die Geschichte dieses Fürstenauer Mädchens so
denkwürdig und zugleich wichtig fanden. Das Ziel von Ralph Gehrke und
Bernd Kruse sei, die Stadtgeschichte ins Bewusstsein der Schüler zu
rücken.
Stadtdirektor Peter Selter bedankte sich für den Einsatz der Schüler und für die Unterstützung seitens der Schule.