Bersenbrücker Kreisblatt, Ausgabe vom 31. März 2011, Seite 17, Ressort Lokales

„Dort saßen mal Menschen drin?“

Verkehrssicherheitstage an der IGS vor traurigem Hintergrund: Betroffene Schüler
Fürstenau.
Schon auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass der Schrottwagen in einen Unfall verwickelt war. Die Details fallen aber erst später auf: das Blut am Airbag, der Schuh hinter dem Fahrersitz. In diesem Autowrack starben vier junge Menschen - nun dient das Fahrzeug der Präventionsarbeit. Es war auf dem Gelände der IGS Fürstenau ausgestellt. Die Betroffenheit unter den Schülern beim Betrachten des Trümmerhaufens war groß.
Von Anika Franke - Das Autowrack nutzt die Verkehrswacht aus Vechta für ihre vorbeugende Arbeit. Sie war nun zusammen mit der Verkehrswacht aus Bersenbrück und der Polizei im Rahmen von Verkehrssicherheitstagen an der IGS zu Gast, die besonders ihre Oberstufenschüler für die Gefahren im Verkehr empfindsam machen möchte. Der Besuch der Verkehrswacht ist Teil des Präventionskonzeptes der IGS. Unter anderem ging im Januar die Ausstellung „Straßenkreuze gegen das Vergessen“ über die Bühne.
Mit von der Partie beim jüngsten Projekt waren Kriminaloberkommissar Manfred Egler und sein Kollege Roland Bornemann. Sie übernahmen den Theorieteil. Mit kleinen Schülergruppen arbeiteten die beiden Polizisten zunächst Themen wie Alkohol und Drogen im Verkehr auf. Dazu zeigten sie den Schülern Filme und Bilder zu Verkehrsunfällen. Gesponsert wird das Projekt von der LVM-Versicherung. Polizist Thomas Stransky spürte die Betroffenheit bei den Schülern deutlich. „Einige konnten nicht hinsehen, gingen hinaus“, sagt er. Natürlich spielten auch die jüngsten Ereignisse auf den Straßen des Nordkreises eine Rolle: Vor einer Woche starb in Bippen eine 18-jährige Schülerin aus Berge; in dieser Woche verursachte eine junge Autofahrerin aus Merzen einen schweren Unfall in Ankum. „So etwas macht die Schüler betroffen, natürlich kannten einige die Opfer“, erklärte Hildegard Jubt, didaktische Leiterin an der IGS. Gerade deswegen sei es wichtig, dass die Schüler erführen, dass sie selbst etwas tun könnten. Zum Beispiel indem sie bei Rasern oder angetrunkenen Autofahrern nicht einstiegen und gegebenenfalls die Polizei einschalteten, so Manfred Egler. Das Stichwort hier: Zivilcourage.
Den traurigen und schockierenden Höhepunkt der Verkehrssicherheitstage bildet der Besuch des Autowracks. Polizist Stransky kennt die tragischen Hintergründe: Der Fahrer des Wagens raste in einer Tempo-30- Zone mit 107 Stundenkilometern gegen einen Baum. Vier der sechs Insassen im Alter zwischen 16 und 26 Jahren sterben. Alle kamen von einer Party, hatten Alkohol getrunken. Viele Schüler der IGS trauten sich zunächst nicht an das Wrack, beobachteten aus der Ferne und flüsterten leise. Doch die Fragen drängen sie: „Waren die Insassen sofort tot?“; „Ist der Schuh echt?“; „Auf dem Beifahrersitz saßen wirklich zwei Mädchen?“ Polizist Thomas Stransky beantwortete alle Fragen wahrheitsgemäß und löste Nachdenken aus.

http://www.noz.de/lokales/53096482/verkehrssicherheit-fuer-igs-schueler-in-fuerstenau-blicke-in-ein-autowrack

Kommentar

Gefahren
Von Jürgen Ackmann
- Man kann in diesen traurigen Tagen allen Schülern mit Führerschein nur zurufen: Fahrt langsam, fahrt umsichtig, fahrt konzentriert. Überschätzt Eure Fahrkunst nicht. Das kann tödlich enden - gerade in einer Region, wo die Straßen mit Alleen nur so gesäumt sind. Wo die Streckenführung teilweise noch aus der Postenkutschenzeit stammt und Bäume dazu dienten, Pferden Schatten zu spenden.
Solche Appelle helfen aber nur, wenn die älteren Autofahrer Vorbild sind. Das sind sie längst nicht immer. Wie oft kommt es vor, dass beispielsweise auf der kurvenreichen Strecke zwischen Menslage und Quakenbrück jemand vorschriftsmäßig und aus gutem Grund Tempo 70 fährt, aber von einem Amateur-Schumi mit 120 überholt wird? Zu oft.
Umso wichtiger sind Präventionsprojekte, wie sie die Verkehrswacht anbietet. Natürlich. Mit der Besichtigung eines Autowracks, in dem vier jungen Menschen gestorben sind, wird den Schülern viel zugemutet. Aber die Schocktherapie hilft. Wenn sich die jungen Leute so einen Anblick zu Herzen nehmen, die Gefahren erkennen und ihr Fahrverhalten hinterfragen, dann ist viel gewonnen. Sicher. Unfälle wird es immer geben, aber vielleicht weniger. Jedes Leben ist kostbar und darf nicht auf dem Altar der „Automobilität“ geopfert werden.
 
zurück