Bersenbrücker Kreisblatt, Ausgabe vom 07. März 2009, Seite 17, Resort Lokales

Blitzableiter oder Ersatzmutter?

Der Alltag von Schulbusfahrern zwischen Nortrup, Fürstenau, Bersenbrück und Bippen
Von Christina Schwietert (Text und Fotos) Altkreis Bersenbrück. Die Fahrten mit dem Schulbus – für mehr als 22 000 Jungen und Mädchen aus dem Landkreis Osnabrück ein tägliches Muss. Und anstrengend dazu. Ebenso für die Busfahrer. Was sie täglich erleben, könnte Bücher füllen. Hier die Geschichte dazu.
Es ist nass, kalt und noch dunkel an diesem Märzmorgen um halb sieben. Der Schulbus wartet mit laufendem Motor auf dem großen Parkplatz in Nortrup. Groß ist er, warm und sauber. 130 Schüler kann der Doppeldecker mitnehmen auf seine Fahrt zur Integrierten Gesamtschule nach Fürstenau. Fahrer Christian Kleine lächelt auf die Frage, ob er seinen Beruf mag. „Klar“, sagt er. Seit gut zwölf Jahren arbeitet der 37-Jährige schon als Busfahrer. Für ihn hat der Tag um fünf angefangen. Kurz nach sechs fährt er seine erste Tour. „Ihr könnt noch in Ruhe eine rauchen – das passt schon“, ruft er draußen einigen älteren Schülern zu. Der Mann wirkt gelassen. Allmählich und bemerkenswert ruhig füllt sich der Bus. „Mittags sind die Kinder aufgedrehter“, sagt Kleine. Fast gemütlich geht es im Bus zu. Einige schlafen, andere unterhalten sich. In Kettenkamp, der nächsten Station, wird es unruhiger. Trauben von Kindern drängeln in den Bus, jeder will nach oben. „Das Einsteigen bestimmt das Verhalten im Bus“, sagt Kleine und wirft einen Blick auf den Bildschirm der Videokamera, die ihm auch zeigt, was sich oben im Doppeldecker abspielt. In Bippen, wo viele zusteigen, kann er dank seiner Kameras sagen, ob noch Plätze frei sind. Die meisten neu zugestiegenen Schüler müssen bis Fürstenau stehen. Es werden auch nicht alle mitgenommen. „In zehn Minuten kommt der nächste Bus – ihr müsst euch jetzt nicht alle hier reinquetschen“, sagt Kleine, macht die Türen zu und fährt weiter. Auf die Frage, was ihn am meisten belastet, antwortet er: „Wenn die Kinder sich beim Einsteigen gegenseitig platt treten. Da kommt es auch schon mal vor, dass einer hinfällt – das kann ich nicht haben.“
Auch Annette Buck fährt gerne Bus, allerdings erst seit zwei Jahren. An diesem Märzmorgen steuert sie mit ihrem 20-Sitzer die Höfe in der Maiburg an. Die Grundschüler müssen nach Bippen. „In den kleinen Bussen kriegt man mehr mit“, sagt sie, „Gutes. Aber auch wenig Erfreuliches.“ Die 42-Jährige hat etwas Mütterliches. Die Kleinen freuen sich deshalb, mit ihr zu fahren. „Na wie war dein Wochenende?“ fragt sie die kleine Mariele.
Und dann erzählt Annette Buck von einem Mädchen aus Settrup, das immer zu spät zum Bus kommt. Sie wartet auf sie, tastet sich an das Problem heran, kommt aber nicht weiter. „Manchmal hast du das Gefühl, du redest mit einer Wand“, sagt sie.
Auch Bodo Rolle setzt auf persönliche Ansprache bei seinen Schulkindern. Bis 1994 war der jetzt 67-jährige Soldat, seitdem fährt er Bus. Er hat Musik an, redet mit den Schülern. „Ich trainiere die Vornamen der Kinder – so kann ich sie gezielt durch das Mikrofon ansprechen, wenn etwas schiefläuft. Das hilft.“ Bodo Rolle setzt als ehemaliger Soldat auf Korpsgeist im Bus. „Wir sind hier alle im Team stark“, sagt er den Kindern. „Keiner soll die Rote Karte kriegen.“
Szenenwechsel – es ist halb vier. Die Schule ist aus. Bernd Große-Starmann – ebenfalls seit mehr als zehn Jahren im „Geschäft“ – fährt gerade die Bersenbrücker Berufsschule an. „Wenn du als Busfahrer nicht die Ruhe behältst, dann bist du verloren.“ Er mischt sich nur ein, wenn es absolut nötig ist. Sobald die Berufsschüler den Bus betreten, wird die Musik voll aufgedreht. Im ganzen Fahrzeug dröhnt es aus Handys und MP3-Playern, meistens Techno. Chipstüten werden ausgepackt, aus riesigen Cola-Flaschen getrunken. Dass da auch schon mal was daneben geht, wird in Kauf genommen. Die jungen Leute sind fröhlich, die Schule ist aus. „Heutzutage haben die Schüler weniger Respekt“, sagt Große-Starmann lakonisch. Zwischendurch kümmert er sich um andere Mitreisende im Bus. Sie fragen nach Busverbindungen zum Umsteigen. Er funkt die Kollegen in Ankum an, bittet sie noch, ein paar Minuten auf seine Gäste zu warten. Das macht ihm Spaß.
An der IGS in Fürstenau ist der Unterricht ebenfalls für heute beendet. In Reihen stehen die Schüler an den Haltestellen. Das Einsteigen geschieht ruhig. „Schuld“ ist die seit dem neuen Halbjahr geltende Busordnung, die das Aufstellen in Reihen vorschreibt. Werner Mersch kommt zur Feier des Tages (wohl weil jemand von der Zeitung dabei ist) mit einem Doppeldecker in Fürstenau angefahren. Der Jubel bei den Schülern ist groß. Werner Mersch sitzt am Steuer: Seit zwölf Jahren ist er dabei, vorher war er bei UPS als Fahrer tätig. Er ist einer, mit dem die Kinder gerne auch mal ein Schwätzchen halten. Doch wie alle seine Kollegen hat auch er schon brenzlige Situationen im Bus erlebt. Werner Mersch ist einer, der darüber redet. Da war zum Beispiel ein Junge, der während der Fahrt mit Feuer spielte, oder mit seinem Messer den Bus bearbeiten wollte. „Der bekam eine Woche Fahrverbot und musste drei Wochen auf einem Platz in der ersten Reihe sitzen. Vorher habe ich aber mit der Mutter telefoniert und der Schule Bescheid gegeben“, berichtet Werner Mersch. Die Busordnung begrüßt er. Sein Fazit: Die Schüler seien umgänglicher geworden. Früher, da seien die Fahrer mehr auf sich alleine gestellt gewesen. Auch mit der Schule klappe die Zusammenarbeit jetzt besser.

Busordnung an der IGS
Zusammen mit Eltern- und Schülervertretern ist in der Bus AG unter Leitung von Lehrerin Claudia Schade eine seit diesem Halbjahr für die rund 1000 Schüler der IGS verbindliche Busordnung entworfen worden. Ohne eine schriftliche Einverständniserklärung von Schülern und Eltern dazu gibt es keine Busfahrkarte mehr. Die Busordnung regelt das Ein- und Aussteigen, vor allem aber das Verhalten im Bus. Sanktionen bei gravierenden Verstößen werden vom Busfahrer in Absprache mit der IGS ausgeführt. Dazu zählt beispielsweise, die Türen geschlossen zu halten, bis die Schüler in Warteschlangen
geordnet einsteigen. Schülern einen bestimmten Platz zuzuweisen. Die Busfahrkarte einzuziehen und sie der Schulleitung mit einer Mitteilung zukommen zu lassen. Schadenersatzforderungen bei Beschädigungen oder Diebstahl in den Bussen zu stellen.

Busschule
Im Auftrag der Verkehrsgemeinschaft Osnabrück wird für alle Schulen regelmäßig ein Schulbusverkehrstraining angeboten, die sogenannte Busschule. Denn auch Busfahren will gelernt sein. Es geht dabei um sicheres Verhalten im Bus, aber auch gefahrenloses Ein- und Aussteigen an der Bushaltestelle. In der Busschule erfahren die Schüler auch, wie lang der Bremsweg eines Busses ist. Oder wo die toten Winkel des Busfahrers sind und wie gefährlich falsches Verhalten am Bus sein kann.
 
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