Bersenbrücker Kreisblatt 27.01.2007

Theologe, Ideengeber, Schulleiter

Von Jürgen Ackmann
Fürstenau.

Eigentlich soll dies die Geschichte eines Abschiedes sein. Aber daraus wird wohl nichts. Karl-Heinz Dirkmann, der am nächsten Mittwoch irgendwann um kurz vor 8 Uhr ein letztes Mal an seinen Schreibtisch als Schulleiter der Integrierten Gesamtschule in Fürstenau gehen wird, hat einfach zu viele Ideen für die Zukunft.
Dieses Büro, in dem er seit 20 Jahren sitzt, bietet viel Platz für raumgreifendes Denken. Groß ist es, ausgestattet mit einem Konferenztisch und so karg eingerichtet, dass sich die Gedanken nicht an gegenständlich gewordenen Urlaubserinnerung verheddern oder an einem Kunstdruck verlieren können. Eine Pinnwand, die Poster mit Veranstaltungstipps für 2004 beheimatet, ist da - wie es im Schöner-Wohnen-TV von RTL heißen würde - schon ein "Highlight".
Irgendwie ist dieses Büro kein bevorzugter Ort. Aber es hat den unschlagbaren Vorteil, dass der Mann, der drinsitzt, die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Gäste genießt. Dieser Mann ist jemand, der in kein Schema passen will. Einst Schüler eines bischöflichen Gymnasiums in Ostbevern in Westfalen, dann diplomierter Theologe, Lateinlehrer am Carolinum in Osnabrück und am Gymnasium in Bersenbrück, würde ihn Volkes Denken eher an einer Privatschule im Emsland vermuten, aber nicht an einer Integrierten Gesamtschule, jenem Ort, wo Kritiker lange Zeit den pädagogische Aufruhr lokalisierten. Auch ist der 63-Jährige nicht Mitglied der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft oder einer Partei. Organisiert und parteiisch ist er dennoch - für seine Schule, für die Kinder vom Lande, für die er seit 1978 in Fürstenau eintritt und für die er in der Oberstufe die jahrgangsübergreifenden Kur se erfunden hat, um trotz geringer Schülerzahlen möglichst viele Fächer anbieten zu können. Anfänglich hätten seine Kollegen Bedenken gehabt. "Geht nicht", habe es geheißen. Aber das sei eben "typisch Lehrer", sagt der Lehrer und blickt über den Tag hinaus. Das Jahrgangsprinzip, diese preußische Erfindung, werde den Kindern, die alle auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichem Tempo lernten, nicht gerecht. Das individuelle Lernen müsse deshalb zukünftig in den Vordergrund rücken, sagt Karl-Heinz Dirkmann. Erste Ansätze dafür gebe es an Grundschulen. Allerdings erfordere dies andere Ressourcen und ein Umdenken.
Auch ein anderes maßgeschneidertes Konzept hält er für wichtig - das Schaffen eines fachgymnasialen Zweiges in der Region. Viele Schüler scheiterten auf ihrem Weg zum Abitur an den Sprachen, seien aber gleichwohl mathematisch und technisch begabt. Ihnen müsse die Chance gegeben werden, praxisorientiert zum Beispiel mit dem Schwerpunkt Wirtschaft die Hochschulreife zu erlangen, sagt Karl-Heinz Dirkmann, um sogleich Goethe für seine These zu bemühen: "Eines schickt sich nicht für alle."
Und noch mehr Differenzierung: In Kürze möchte Karl-Heinz Dirkmann die Idee für eine Schule auf dem Gelände der Pommernkaserne vortragen, wo Kinder, die aus sozial schwierigem Umfeld kommen - aber normal intelligent sind - ganztägig betreut werden, und zwar nicht erst mit 15 oder 16, sondern schon mit fünf oder sechs Jahren. Durch frühe Hilfe ließen sie sich später leichter in den regulären Schulbetrieb integrieren - Vorbeugung statt Reparatur heißt das Prinzip dazu.
Dann wäre da noch ein Projekt, das Karl-Heinz Dirkmann zusammen mit seiner Tochter - einer Juristin - angehen möchte. Wenn demnächst die "eigenverantwortlichen Schulen" ihre Arbeit aufnähmen, benötigten sie beim Abschluss von Verträgen auch rechtlichen Rat. Hier könne er sich vorstellen, über eine Beratungsagentur Hilfe als preiswerte Paketlösung anzubieten.
Als sich dann das Büro von Karl-Heinz Dirkmann mit all diesen Ideen gefüllt hat, bricht in ihm unverhofft der alte Lateiner durch - wie das mit der Aussprache von "Cicero" ist und wie Schüler Vokabeln beim rhythmischen Gehen wunderbar lernen können. Dass dieser Mann beinahe Elektriker geworden wäre - eine Lehrstelle hatte er schon -, das ist unvorstellbar.

 

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